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"Der Kaffee im Krankenhaus ist ohne Koffein" Part 10

Es ist soweit! Das finale Kapitel zu diesem Kurzroman ist nun da! Es ist der Letzte Teil! Leset und freuet euch. Übrigens: Schöne und feierliche Weihnachten an euch allen!

Von Daniel Zemicael

Part 1, Part 2, Part 3, Part 4, Part 5, Part 6, Part 7, Part 8, Part 9 zum Nachlesen!


3. Teil: Bescherung


19. Kapitel

Es sind nun dreißig Minuten vergangen nach meinem schweißtreibenden Abenteuer. Die Bude war schon voll, als ich eintrat, aber glücklicherweise kam ich nicht zu spät zum Essen. Mein Plan also, nach dem Weihnachtsschmaus die Rede des Jahrhunderts zu halten, stand noch. Es gab allerdings ein paar Momente, die es mir extrem erschwerten.
Vorher als mein Bruder die Tür öffnete, gab er bloß ein »Aha«, von sich, was mich fast dazu bewog mich umzudrehen und die Treppen hinunterzulatschen. Aber dann kam meine Mutter vor die Tür und sah mich erst mal lange an, um mich anschließend zu umarmen.


»Du hast es geschafft!«, sagte sie auf eritreisch.
»Ja«, sagte ich.
»Wie geht’s dir, mein Junge?«
»Gut«, sagte ich wieder einsilbig.
»Wie ich sehe, ist die Schwellung abgeklungen.«
Ich nickte.
»Aber wie ich sehe«, sagte Johnny auf Deutsch, »hat’s ihn offensichtlich die Sprache verschlagen.«
»Ich geh jetzt in die Küche«, sagte meine Mutter, »und ihr könnt gleich mit, brauche jetzt jede helfende Hand.«
»Wir kommen gleich nach«, meinte mein Bruder.
»Gut«, unsere Mutter schaute uns nochmal an und konnte es sich nicht verkneifen, zum tausendsten Male und das nicht gerade ohne Stolz »Ihr seht euch so unglaublich ähnlich«, zu verlautbaren.
Als sie weg war, trat ich in die Wohnung ein, zog meine Jacke aus und hing sie auf dem Kleiderständer. Dabei beobachtete mich Johnny unentwegt. Als ich fertig war, schaute ich ihn fragend an.


»Ist irgendwas?«
»Nun ja, es ist wohl das achte Weltwunder geschehen, dass du an diesem Weihnachten gekommen bist. Ich bin ehrlich zu dir: Ich freu mich.«
»Danke. Ich freu mich auch.«
Er starrte mich auf seine Weise an, was meistens eine gefühlte Minute ging. Es erinnerte mich ständig an Denzel Washington in dem großen Malcolm-X-Film. Wenn man genau drauf achtete, gab es immer wieder Momente, wo er im Film die Leute durchdringend in die Augen sah und das wirklich sehr lange. Johnny aber, lächelte mich dabei an.
»Und bevor wir ins Sentimentale abgleiten, schlage ich vor: Mangiera!«
Er kam auf mich zu und packte mich kumpelhaft an der Schulter, während wir zusammen in die Küche gingen.

Das Essen war bereits angerichtet, als wir alle an dem Esstisch saßen. Außer Johnnys Frau waren noch zwei unserer Onkel und eine Tante zu Besuch. Die Kinder saßen hinter uns an einem kleinen Tisch und aßen dort. Als wir gerade anfangen wollten, ergriff mein Bruder das Wort.
»Ok, bevor wir uns übers Essen hermachen, will ich noch was sagen.«
Die Kinder hinter uns waren allerdings viel zu laut, dass er nicht beginnen konnte. Also was machte Johnny? Er nahm einen Löffel und klirrte damit auf ein Weinglas. Kurz zeigte ich mich zerknirscht, war das doch mein Vorhaben, nachher so zu beginnen. Jedenfalls hörten die Kinder auf ihren Vater und hörten mit dem Lärm auf.
»Also gut.«, sagte er »ich sage es wie es der altehrwürdige Johannes Paul der 2. einmal sagte: ‚das Weihnachtsfest und mit ihm das Fest der Heiligen Familie stehen uns besonders nahe, weil in ihnen uns das Geheimnis der Menschwerdung begegnet.‘, das hab ich gestern schnell gegoogelt.«, kurz lachte man am Tisch über seine letzte Bemerkung, dann fuhr er fort:


»Ich glaube fest daran, dass wir nicht nur Weihnachten feiern sollten, weil wir Christen sind, sondern weil wir uns hier, im Haus meiner Mutter, jedes Mal zusammenfinden, um uns als Familie zu feiern. Ich bin, froh drum, dass du Haile, endlich hier bist nach fünf Jahren Abstinenz und ich weiß auch, dass dir am Grundgedanken dieses Festes nicht viel liegt. Aber ich vermute...nein ich hoffe inständig, dass du hier bist, weil du deine Mutter und uns alle in deinem Herzen trägst. Und ja ich weiß, dass hört sich schmalzig an, aber was solls, es ist ja schließlich Weihnachten.«, wieder lachten einige am Tisch, dann wandte er sich an unsere Mutter, »Adej, ich glaube es ist Zeit dir zu danken, dass du eine großartige Mutter und Oma für meine Kinder bist und es wird Zeit, dass ich sie nicht wie immer viel zu selten zu dir bringe, sondern, dass du sie immer um dich hast...«


Unsere Mutter zuckte zusammen: »Aber bitte nicht alle fünf zusammen. Ich bin inzwischen eine alte Frau«, was wieder einen Lacher erntete, in den ich auch mit einstimmte.
Johnny nahm sein halb volles Weinglas und hob es in die Höhe. »Schöne Weihnachten alle zusammen!«
Wir standen auf und stießen alle miteinander an.
»Schöne Weihnachten!«, sagten wir schließlich alle.

Einige Minuten später aßen wir gemeinsam. Das war für gewöhnlich ein Zeitpunkt des Smalltalks. Keine Ahnung wie es in anderen Familien läuft, aber meine ist ein Meister des Schwatzens. Leider war ich fünf Jahre nicht da, was hieß, dass ich einiges verpasst hatte.


 »Hast du das eigentlich von Jemane gehört«, begann einer unserer Onkel Johnny zu fragen.
»Ja, der hat’s wieder übertrieben«, gab mein Bruder kryptisch zu Antwort.
»Ja«, sagte meine Mutter, »Er lässt sich von ihr Scheiden und dann hat er plötzlich eine andere. Sowas ist in Eritrea unüblich.«
»Aber«, wandte Johnny ein, »wäre nur nicht die Sache mit... ihr wisst schon was.«
Und dann ging’s los. Jeder redete durcheinander, so dass ich nicht mal eritreisch geschweige denn Deutsch verstand, sondern nur Stimmengeblubber.
»Was soll’s«, sagte meine Schwägerin in die Runde, »Er wollte es ja so, aber wisst ihr, was mich noch mehr aufregt? Dass Josef keine Ahnung hatte von dem ganzen, er hat es ja schließlich provoziert.«
»Nein! Nein!«, sagte meine Mutter energisch, »Er ist doch immer lieb gewesen zu...ach, wie heißt sie denn nochmal.«


Kurzes Schweigen, weil alle nachdachten, wie diese offensichtlich weibliche Person nochmal hieß.
»Rita!«, sagte Johnnys Tochter hinter uns. Alle drehten sich zu ihr um und Lachten.
»Stimmt«, sagte unsere Mutter, »Rita, war ihr Name.«
Ich saß da und sah so aus, als ob man mich zwang fünf unterschiedliche Puzzles zu lösen, nur das diese zu einem einzigen Haufen zusammengemischt wurden.
Ich hatte einfach keinen blassen Schimmer, wer Jemane, Josef oder Rita waren, aber alle anderen offensichtlich schon, inklusive eine von Johnnys Kindern.


Es war schwer, mitten ins Gespräch einzusteigen, also lauschte ich dem einfach, beobachtete und aß nebenbei, das wirklich köstliche Schäufele mit Kartoffelsalat. Doch irgendwann gab es ein Themenwechsel, den ich mir insgeheim herbeiwünschte.
»Und hat alles geklappt?«, flüsterte unsere Tante.
Die anderen streckten ihre Köpfe verschwörerisch in die Mitte des Tisches und flüsterten ebenfalls Dinge wie, »Ja klar, hat geklappt.« Oder »Psst, pass auf, dass die Kinder nichts merken.«
Als alle wieder mit dem normalen Smalltalk fortfuhren, fragte ich den Onkel zu meiner Linken: »Was war das gerade?«
Er schaute mich so an, als wäre ich ein T-Rex.
»Was denn?«, fragte ich.
»Heute ist heilig Abend, Haile.«
»Das weiß ich auch.«
»Dann solltest du auch wissen, dass heute Mehbrets 10. Geburtstag ist.«


Er hatte recht. Johnnys Älteste hatte an diesem Tag Geburtstag. Das war mir völlig entgangen. Ich schämte mich und das Altbekannte fing wieder von vorne an: Ich schwitzte.
»Wir haben alle für ihr Geschenk was zusammengelegt.«, dann schloss er sich wieder in den Smalltalk der anderen an. Ich dagegen erstarrte und das nicht nur, weil ich Mehbrets Geburtstag vergessen hatte, sondern, dass ich für keinen einzigen hier Anwesenden ein Geschenk dabei hatte. Ich betete dass, im Gegenzug, keiner für mich ein Geschenk aus dem Hut zaubern würde, sonst wäre das verdammt peinlich.
Die anderen aßen wahrscheinlich deswegen so hastig, weil die Bescherung bald nahte. Das hat sich offensichtlich immer noch bei uns etabliert. Und zwar seit jeher.

Und dreißig Minuten später als alles leer gefuttert war, machten die meisten Anstalten aufzustehen, um sich auf den Sofas und der Couch bequem zu machen. Dort tollten aber Johnnys Kinder so dermaßen laut herum, dass man fast den Verstand verlor. Einer von seinen Söhnen, Tedros, hatte die Angewohnheit, sich ständig auf die Lehne des langen Sofas zu stellen, um sich anschließend wie ein Bungeespringer auf den weichen Bezug fallen zu lassen.


Obwohl meine Schwägerin seit geraumer Zeit auf der Toilette  war, stand ich schnell auf, nahm einen kleinen Löffel und klirrte damit auf mein Weinglas. Einige, die schon aufgestanden waren, sahen mich fragend an.
»Bevor wir uns an die Geschenke ran machen, möchte ich noch was sagen.«, begann ich und kam mir vor wie so ein schlechter Johnny-Imitator. Meine Familienangehörigen setzten sich wieder. Ein paar verschränkten die Arme, andere falteten die Hände, als ob sie darum beten würden, dass die jetzt schon zweite Rede schneller rum gehen sollte.
Wie aus dem Nichts hörten wir, wie mit einem mächtigen Aufschlag Glas zerbrach. Meine Mutter die Sicht auf die Kinder hatte, ließ einen furchtbaren Schrei los. Ich drehte mich um und sah nur, dass der Boden voll mit Scherben war. Alle anderen rannten hinter dem Sofa. Ich ging ebenfalls zu dem Ort und sah, wie Tedros regungslos hinter dem Sofa auf dem Rücken lag.


Das schockierte nicht nur mich, nein, vor allem Johnny, der vor seinem Sohn kniete, war so außer Kontrolle, dass er unserem Onkel ins Ohr brüllte: »Ruf einen Krankenwagen!«
Der Onkel stand auf und zuckte sein Handy aus der Tasche und ging aus dem Raum. Doch dann machte Tedros die Augen wieder auf. »Baba?«, sagte er.
»Halleluja!«, rief meine Mutter, eine Angewohnheit von ihr, die sie sehr oft sagte, wenn sich etwas zum Guten wendet.


Johnny nahm den Jungen in den Arm und atmete hörbar ein und aus. Die Welt war für ihn kurz wie der Scherbenhaufen auf dem Boden, und nun war sie wieder heil und ganz.
»Baba?«, fragte Tedros wieder.
»Ja, mein Sohn?«
»Ich glaube ich springe nicht mehr auf dem Sofa.«
»Ja, lieber nicht mehr. Ist ein bisschen zu gefährlich.«
Als sich die Schockstarre der anderen wieder löste, setzten sie sich auf das Sofa und seufzten vor Erleichterung. Ich setzte mich ebenfalls. Der Einzige war noch unser Onkel, der wieder ins Zimmer kam.
»Leg auf, es ist wieder alles in Ordnung«, sagte ihm Johnny.
»Ach ja?«, fragte unser Onkel.
»Ja.«
»Also es ist wieder alles in Ordnung«, sprach er in den Hörer, »Wie bitte? Ja, Ihnen auch schöne Weihnachten.«
Johnny richtete Tedros wieder auf und ging mit ihm an mir vorbei, um zum Weihnachtsbaum zu gehen.
»Alles okay?«, fragte ich den Jungen. Er nickte.
Danach knieten sie sich vor dem Baum und hielten ein leises Zwiegespräch zwischen Vater und Sohn. Als meine Schwägerin hereinkam, schaute sie sich die Scherben an.
»Was ist denn hier passiert?«
Es begann ein Stimmenwirrwarr von allen. »Ach nichts«, verstand ich oder Dinge wie, »Es ist nur Glas auf dem Boden gefallen.«, die anderen wollten sicher nicht, dass sie sich unnötig Sorgen machte, also blieb es ein Geheimnis unter uns.

Anstatt nun die Bescherung zu starten, damit der Tag endlich sein Höhepunkt erreichte und somit zu Ende ging, sprachen alle anderen wieder über irgendwelchen Insiderkram, bis es mir zu bunt wurde ich und auf den Balkon ging, um eine Kippe zu rauchen.
Es schneite nicht, aber dafür war es beißend kalt. Zu allem Übel gab es nur einen Metallstuhl. Ich wollte auch nicht lange draußen bleiben, also setzte ich mich einfach kalten Stuhl. Irgendwann vibrierte mein Handy. Es war Enrico. Er schrieb mir Folgendes:

 

Enrico:   Fröhliche Weihnachten, bro. Ich hoffe, du bist nicht mehr im Krankenhaus.
Haile:     Nee, ich wurde entlassen. Bin jetzt bei meiner Familie und hoffe, dass dieser Tag schnell rum geht.
Enrico:   Weihnachten scheint wohl nie dein Ding zu werden.
Haile:     Nicht wirklich, ich zähle schon die Sekunden.
Enrico:   Dann viel Spaß beim Zählen, es gibt ja noch zwei weitere Weihnachtstage.
Haile:     Scheiße, stimmt ja.
Enrico:   LOL!
Haile:     Naja, weiß du, was ich dennoch gelernt habe?
Enrico:   Was denn? Das nach Heiligabend zwei Feiertage folgen?
Haile:    Nein, du Klugscheißer :D, sondern das ich gar nicht das beste Verhältnis zu meiner Familie haben muss.
Enrico:   Ach ja?
Haile:    Natürlich wäre es super, würde ich mich mit meinem Bruder gut verstehen und wir sowas wären wie die Brüder Grimm, Marx Brothers oder die Brüder Lumiére (das sind die Gründer der ersten Kinovorstellung, falls du das nicht weißt), aber...
Enrico:   ...oder die Bee Gees :D
Haile:    Oder die Bee Gees, genau. Aber worauf ich eigentlich hinaus wollte, ist, dass ich, seit ich schon klein war, das Gefühl von Unvollständigkeit hatte, sei es wegen meiner Andersartigkeit oder sonst was. Und meine Sucht nach Anerkennung oder wie du sagen würdest, Abhängigkeiten, resultieren nur nach dem Drang nach Bestätigung. Aber wenn ich eines diese Weihnachten gelernt habe ist es, dass ich nun weiß, wie ich auf Menschen wirke, und zwar wie ein Mensch mit Potenzial. Ich pfeif’ auf meine Weltreise-Pläne (erstmal) und bringe mal Ordnung in meinem Leben. Ich such mir ein Job (vielleicht was Ehrenamtliches wo man mit psychisch kranken Menschen oder alten Leuten arbeiten kann) und nebenher schreibe ich an meinem Roman. Sorry, dass die Nachricht so lang wurde, aber wie findest du diese Ideen?
Enrico:    Also zunächst einmal, ist diese Nachricht wirklich lang geworden. Das ging wirklich so lang, dass ich mir ´nen Hamburger in die Mikrowelle geschoben hab. Und weiß du was? Der Hamburger ist schon längst fertig.
Haile:    Sorry!
Enrico:  War nur Spaß.
Haile:    LOL.
Enrico:  Ich finde, deine Pläne sind echt gut und vor allem deine Erkenntnisse...da fällt mir nur ein Wort ein, und zwar: Deep! Ich meine, Selbstreflexion ist die Mutter aller Problemlösungen und ich finde, du hast das schon mal gut drauf.
Haile:   Danke!!!
Enrico: Mann o Mann, vielleicht muss ich auch mal dort ins Krankenhaus, wo du warst, scheint ja Wunder zu wirken.
Haile:   :D
Enrico:   Sei stolz auf dich und mach dein Ding, bro.
Haile:     Ja, hab ich auch vor.
Enrico:   Verlier aber nicht den Boden unter den Füßen, wenn dein Roman ein Kassenschlager wird.
Haile:     Keine Sorge.
Enrico:   Hast jetzt endlich mal ´nen Catchy Titel gefunden für dein Manuskript?
Haile:     Ja.
Enrico:   Uuund?
Haile:     Sag ich dir, wenns fertig ist.
Enrico:   Okay, Mister Cliffhanger, gehabt dich wohl.
Haile:     Hey, noch was...
Enrico:   Was denn?
Haile:     Dir auch fröhliche Weihnachten.
Enrico:   Danke, bro.

 

Ich war ungefähr 15 Minuten draußen auf dem Balkon, aber meine Arschbacken waren schon zu Eiszapfen mutiert, als mein Handy schon wieder vibrierte. Es war diesmal ein Anruf. Die Nummer war aber unterdrückt. Obwohl es gegen meiner Gewohnheiten war, nahm ich trotzdem ab.
»Hallo?«
»Hallo, Haile, bist dus?«, fragte mich eine Frauenstimme.
»Ja, und wer ist dran?«
»Ich bin’s Natascha.«
»Wer?«
»Hast du mich schon vergessen?«
»Nee, ich mach nur Spaß.«
»Du Scherzkeks.«, Sie lachte los, was sich mehr nach Erleichterung anhörte, statt, dass sie meinen Witz besonders gut fand.
»Ich wollte mich bei dir entschuldigen, weil ich dir nur so kurz geantwortet habe und es danach still um mich wurde.«


»Ja, dass hat mich schon ein bisschen gewundert, weil ich dachte, dass wir uns gut verstehen.«
»Das hat wirklich nichts mit dir zu tun gehabt. Die Sache ist nur, ich verstehe mich nicht so gut mit meiner Familie und Weihnachten ist immer so ein Zeitpunkt, wo wir uns ganz schön in die Haare kriegen. Es ist sozusagen wie die Geschlossene in der Psychiatrie: Man will raus, muss aber drin bleiben.«
Ich musste wirklich über ihren Vergleich lachen. Ab da wusste ich, dass ich ihr nicht mehr sauer sein konnte.
»Ja«, sagte ich, »Ich bin auch nicht grade der Liebling der Familie.«
»Wirklich?«
»Oh ja.«
»Erzähl doch mal. Vielleicht gibts ja Parallelen zu mir.«
»Das kann sein, würde aber den Rahmen sprengen.«
»Also ich bin grade in meinem alten Kinderzimmer und hab die Tür abgeschlossen. Das heißt, ich hab jede Menge Zeit.«


Eins war klar, wenn ich eine weitere Viertelstunde hier auf dem eisigen Metallstuhl hocken würde und wie ein Aal zitterte, wäre eine Erkältung am nächsten Tag sicherer als sonst was. Aber das war mir in diesem Moment wirklich sowas von egal.


Bevor ich ihr allerdings meine ganze Lebensgeschichte erzählen würde, bekam ich spontan eine Idee. Das hätte eventuell, dass Gespräch verkürzen können, aber ich mochte es sowieso nie zu telefonieren, und das lag nicht an der erbarmungslosen Kälte und erst gar nicht an Natascha. Ganz im Gegenteil. Ein persönliches Gespräch bot doch viel mehr Möglichkeiten zu interagieren und vielleicht konnte auch ein Kuss daraus entstehen. Und genau deswegen hatte ich diese Idee.


»Du Natascha?« Fragte ich.
»Ja?«
»Hättest du am 27. Dezember Zeit? Da gibt es einen Club, der Multicultural heißt. Eine Band tritt da auf. Ein Mitglied kenn ich sogar persönlich.«
»Ja, natürlich.«, sagte sie, »ich hab wirklich mehr als Zeit. Ich würde gerne mit dir da hingehen.«
Wir telefonierten trotzdem noch eine ganze Stunde. Ich war ein Eiszapfen und dennoch glücklich. Erst in diesem Moment bemerkte ich, das Weihnachten doch eine schöne Sache sein konnte. »Magische Zeit«, sagte Niko. Verdammt, er hatte sowas von Recht!


🎄❤️🎅ENDE😘🎁☕

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