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"Der Kaffee im Krankenhaus ist ohne Koffein" Part 1

Diesen Roman schrieb ich in einem Rauschartigen Zustand in nur wenigen Wochen. Das Resulat ist m.E. Zeigenswert, da es auch meine kleinen Gehversuche im Schreiben von Romanen demonstriert und quasi ein Startschuss in meinem sogenannten "Body-of-work" aufzeigt. Teile der Geschichte sind wahr, doch wie es bei vielen Künstlern der Fall ist, schöpfen wir aus der Wirklichkeit die Fiktion, will heißen, die Realität diente mir als Grundlage für diesen Kurzroman. Ich war tatsächlich im Jahr 2019 im Krankenhaus und das kurz vor Weihnachten. Was dabei herauskam ist diese Geschichte.

Wenn ihr Fragen habt oder mir Feedback geben wollt, dann nutzt gerne die Kommentare. Und nun viel Spaß beim Lesen!

Von Daniel Zemicael


1. Teil - Donald Duck


Dem Schauspieler und sehr guten Freund

Orhan Müstak 

Gewidmet 

 1. Kapitel

 

Als ich die Folterwerkzeuge betrachtete, die ich jeden Moment zu spüren bekommen würde, dachte ich: Das ist meine Chance, Weihnachten mit der Familie wieder sausen zu lassen.
Aber wenn meine Mutter mich in diesem Moment gesehen hätte, hätte sie nur die Schultern gezuckt und auf eritreisch erwidert: Selbst wenn du unter der Erde wärst, gäbe es keine Ausrede mehr, an Weihnachten nicht zu erscheinen.


Während ich das dachte, sprach die Ärztin die ganze Zeit auf mich ein. »Können Sie mich überhaupt verstehen?«, fragte sie. Ich nickte nur. In meinem seltsamen Dämmerzustand fand ich es schon eine große Leistung, überhaupt den Weg ins Krankenhaus geschafft zu haben. Es war so gegen 20 Uhr abends am 17. Dezember und ich saß auf einem großen schwarz gepolsterten Stuhl.
»Gut«, sagte sie und rollte mit dem Stuhl zu ihrem Schreibtisch zurück. Sie begann zu schreiben. »Haben Sie irgendwelche Vorerkrankungen oder Allergien?«


»Nicht, dass ich wüsste«, gab ich von mir. »Ah, doch! Depressionen und ich hatte mal eine Psychose.«
»Können Sie mir die Medikamente nennen, falls Sie welche nehmen?«
Ich nannte die Tabletten und sie schrieb es auf. Dann legte sie den Stift zur Seite und kam zu mir. Sie griff über die Folterwerkzeuge und nahm sich so ein seltsames Gerät, das sie sich auf dem Kopf setzte. In der Mitte dieser Apparatur war ein Licht. Doch dann klingelte ihr Telefon. Statt einfach mit der Behandlung weiterzumachen und das Geklingel zu ignorieren, wie es mein Psychiater immer machte, legte sie das Gerät weg, rollte zum Schreibtisch und ging ran. Ich wartete. Und wartete. Nach fünf geschlagenen Minuten legte sie auf und kam wieder zu mir angerollt, doch ungefragt öffnete ihre Kollegin die Tür.
»Hast du das von Matthias gehört?«, fragte die Kollegin.
»Ja, er hat das MRT und das EKG versemmelt.«, sagte die Ärztin mit dem Rücken zu mir. Und der Tratsch ging einfach so weiter, während ich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf Erlösung wartete. Was sollte ich nur machen? Ich räusperte mich mehrmals. Half nichts. Dann schaute ich mir den Gerätefundus auf dem Tisch an: Skalpell, spitze Scheren, Messer und so weiter. Mein Blick wanderte zum Rücken der Ärztin. Und als ob ihre Kollegin meine Gedanken hören könnte, deutete sie mit dem Kopf auf mich.


»Abszess.«, sagte die Ärztin zu ihr.
»Nein.«, sagte ich, »mein Name ist Bereket.« Das brachte beide dazu, herzlich zu lachen.
»Nein, Sie haben womöglich einen Abszess«, sagte sie.
»Also sollte ich es mit einer Salbe einreiben, und gut ist?«
»Ich schau mir das erst mal genauer an«, erwiderte sie, verabschiedete die Kollegin, setzte die Apparatur wieder auf und leuchtete mir in die Nasenhaupthöhle, in der dieser Abszess war, den ich davor noch als Warze bezeichnet hätte. Aber als wären die Schmerzen nicht schon genug gewesen, war meine Oberlippe im Laufe des Tages immer mehr angeschwollen. Ich fühlte mich, wie ein Luftballon der gleich zerplatzen würde.
Nachdem sie fertig war, sagte sie zu mir, »Wir müssen Sie operieren.« Ich schaute sie an wie der letzte Dorftrottel.


»Meinen Sie nicht, dass eine Salbe reichen würde?«
»Wissen Sie was ein Abszess ist?«
»Nein.«
»In der Innenseite Ihrer Nase ist eine Ansammlung von Eiter, die wir sofort entfernen sollten, sonst könnte er sich einen Wege zu den Augen bahnen. Sie werden aber lokal betäubt, also brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen.«
»Ich bin ehrlich«, sagte ich, »bei Betäubungen und Operationen bin ich raus. Ich kann das Gefühl, dass ich totes Fleisch in mir hab nicht vertragen. Und dann der Eingriff: Ich werde bestimmt schreien und fluchen. Das wollen Sie bestimmt nicht.«
Sie schaute mich verständnislos an. »Wir müssen Sie operieren.«

Im Operationssaal lag noch ein Patient. Ich sollte mich auf den Operationstisch legen. Dann schirmte eine Pflegerin meinen Bereich mit einem Vorhang ab. Sie und die Ärztin standen nun links und rechts neben mir.
»Bringen wir’s endlich hinter uns.«, sagte ich und begann mit den Beinen hin und her zu wedeln.
»Ganz ruhig.«, sagte die Pflegerin und strich mir über die Schulter.


Die Ärztin trat mit einer Spritze auf mich zu, die für die lokale Betäubung bestimmt war. Sofort schloss ich die Augen. Spritzen hasse ich auch. So, gleich würde dieses eklige Gefühl wieder anfangen, dass ich vom Zahnarzt her kannte. Es wurde mir plötzlich irgendwas in die Nase gesprayt, worauf ich stark hustete, so stark, dass ich mich aufsetzen musste. Ich glaubte zu ersticken.
»Was war das?«, fragte ich benommen.
»Das war nur das Eisspray. Legen Sie sich bitte wieder hin.«, sagte die Ärztin.
»Wirklich, ich kann nicht mehr!«
»Alles wird gut...wie heißen Sie mit Vornamen.«, fragte die Pflegerin, um mich abzulenken.
»Haile.«
»Helle?«, fragte sie mit gerunzelter Stirn.
»Nein, Haile.«
»Here?«
»Sie kennen doch bestimmt den äthiopischen Kaiser Haile Selassie. Genau so wird mein Name ausgesprochen. H-E-I-L-E.«
Die Ärztin schaute uns beide mit einem Skalpell in der Hand fragend an. »Da wir das geklärt haben, können wir weitermachen?«


Sie rückte mir schließlich mit dem Skalpell auf die Pelle, und ich schloss ergeben die Augen. Und dann ging es los mit einem seltsamen Stich, oder war es doch ein Schmerz? Auf jeden Fall war es kaum zu ertragen, und ich schrie lauthals: »MAMA! MAMA! MAAAMA!« Und machte die Augen wieder auf.
»Wir haben’s bald!«, sagte die Ärztin.
»Kann ich Ihre Hand drücken?«, fragte ich die Pflegerin.
»Ja, klar.« Sie gab mir ihre Hand und ich drückte fest zu.
»Jetzt nicht bewegen«, sagte die Ärztin, »sonst fliegt mir alles um die Ohren.«
»Okay, ich versuchs.«


Dann das gleiche wieder: »MAMA! MAMA!«, aber sie unterbrach mich. »Wie alt sind Sie denn?«, und obwohl ich wusste, dass es eine rhetorische Frage war, wollte ich fast sagen, 24 Jahre alt. Aber ich ließ es dann doch.
Als wieder dieser unerträgliche Schmerz zu spüren war, musste ich mein Geschrei unter allen Umständen unterdrücken, wedelte dafür heftigst mit den Beinen, drückte die dünne Hand der Pflegerin und presste meine Augen so zu, dass ich dachte, ich werde sie nie wieder öffnen können. Aber es half alles nichts, das Geschrei fing wieder von vorne an. Aber anstatt peinlich nach meiner Mutter zu rufen, schrie ich: MAMA MIA! MAMA MIA!


»So, wir sind fertig«, sagte die Ärztin.
»Sie haben das ganz toll gemacht.«, wollte mich die Pflegerin aufmuntern.
»Danke«, murmelte ich.
»Allerdings«, sagte die Ärztin nach einer Pause, »müssen wir Sie mindestens drei Tage stationär hierbehalten. Der Abszess ist noch in der Oberlippe.«
Das alles war mir völlig egal. Ich wollte nur aufstehen und raus aus diesem Zimmer. Ich schwankte und hielt mich am Waschbecken fest. Dann erblickte ich meine Visage, die mir in der Regel gefiel, nun aber sah ich einen anderen Menschen. Er wirkte nicht mal menschlich. Folgerichtig sagte ich: »Ich sehe ja aus, wie Donald Duck!«
»Deswegen bleiben Sie auch noch stationär hier.«, sagte die Ärztin, als sie sich die Handschuhe auszog. Sie konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
»Na dann«, sagte ich resigniert, »fröhliche Weihnachten.«

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