Andere sind Kanzler, der Graphomaniker kann YouTube. Und das nicht schlecht! Mit meinem exklusiv für dieses Projekt gegründete Team „Das-Cinemaniker-Kollektiv“ habe ich das Ziel, Social-Media-affine Menschen mit der Magie des Kinos aus der Smartphone-Hölle zu holen und für die Kinematografie zu begeistern. In diesem Sinne kann man meinen Kanal mit Fug und Recht als trojanisches Pferd bezeichnen.
Von Daniel Zemicael
Folge 1 ist nun Online zu bestaunen!
Angefangen hat alles mit der kurzen Bemerkung meiner Schwester, als sie mir vorschlug, mit YouTube meine filmischen Ideen umzusetzen. Mein erster Gedanke war: „Nein! Ich möchte als Regisseur Kinofilme machen und mich nicht in einem Medium tummeln, dass bekannt für ist Influencer und andere moderne Verkäufer, wie einst Staubsaugervertreter.“ Doch ein paar Jahre später, als ich wieder einmal ein Kurzfilm schrieb und einigen Leuten davon erzählte (die auch Filme machten) stieß ich wieder auf Hürden der Umsetzbarkeit. Außerdem was würde denn passieren wenn mein Kurzfilm abgeschlossen wäre?
Ich würde es an mehrere Festivals schicken und dafür werben (hausieren gehen), dass der Film in anderen Wettbewerben gezeigt wird und damit einige Jahre verbringen. Eine zugegeben lange Zeit für nur einen Film, wo man noch überhaupt nicht einschätzen kann, wie erfolgreich und lohnenswert die ganze Arbeit war. Also habe ich mein Drehbuch zwar geschrieben, aber anschließend in die digitale Schublade gesteckt. Wie in einem Comic bildeten sich über meinem Kopf daraufhin die Gedankenblasen, worin die Worte meiner Schwester zu lesen waren, einen YouTube-Kanal zu gründen.

Plakat der 1. Folge
Meine Leidenschaft: Kino und Film
Ich dachte an meine Kindheit, in derich so aufwuchs, wie vermutlich viele Deutsche mit eritreischen Wurzeln: Mit Filmen, die im Fernsehen liefen. Ich kann mich erinnern, wie ich die „Sesamstraße“ und andere amerikanische Fernsehserien liebte. Und sehe vor meinem geistigen Auge, wie ich die VHS-Kassetten meines Bruders aus seinem Schrank schmuggelte und im Wohnzimmer alles anschaute, was für mich als kleiner Junge noch tabu war. So geschah es, dass ich „Braindead“ von Peter Jackson ungeschnitten mit acht Jahren sehen konnte. „The Crow“ mit Brandon Lee sah ich ungefähr mit 11. Und ich weiß noch wie ich „Malcolm X“ auf VHS rauf und runter sah, doch mein Bruder nahm den Film vom ZDF auf und hatte leider einige Minuten verpasst, sodass ungefähr zehn Minuten fehlten. Als ich mit meinen Eltern bei einer anderen eritreischen Familie zu Gast war, lief der Fernseher und ich entdeckte mit „hook“ meinen ersten Spielberg-Film, der mich derart elektrisierte und eine Feier der kindlichen Fantasie und Kreativität war, dass ich diesen Film niemals vergaß. Inzwischen war ich 16 Jahre alt und immer noch cinephil (ohne damals den Begriff gekannt zu haben), als ich von einem Film erfuhr, der spätnachts in der ARD kommen sollte. Er hieß „Talk Radio“. Ich schaute den Film an und bewegte dabei 104 Minuten meinen ganzen Körper nicht, ich war wie in Trance. So ein Erlebnis hatte ich zuvor und danach niemals in dieser gewaltigen Wucht, sodass ich wirklich von einem cineastischen Orgasmus sprechen musste. Spätestens hier war mir klar, dass mir Filme mehr bedeuteten als den Ottonormalverbraucher.
Ich ging natürlich auch so oft wie es ging ins Kino. Es war allerdings immer ein Event, was Besonderes, bei dem der ganze Tag auf diesen Höhepunkt ausgerichtet war. Ich war immer wieder begeistert von den Räumlichkeiten und dem Ablauf dort. Damals waren mir die Cineplexe noch kein Dorn im Auge und meine Arthouse-Kinophase begann erst später. Angefangen hat sie mit virtuosen Kunstfilmen, die ich alle im öffentlich-rechtlichen sehen konnte. „Rashomon“ ist so ein Film, wo ich sogar gleichaltrige Kinder zum Schweigen bringen konnte, wenn diese ihre Abneigung gegenüber alten Filmen wieder kundtaten. Stummfilme begegneten mir immer häufiger (wie immer im Fernsehen) und ich begann die Reise mit „Metropolis“, der mich von der ersten Minute an hookte. Danach hatte ich Blut geleckt, es folgten „Panzerkreuzer Potemkin“ und viele Buster-Keaton-Filme (zu nennen ist da vor allem das filmische Kino-Juwel „Sherlock Jr.“). Der Filmemacher Ernst Lubitsch gefiel mir mehr als die Charlie-Chaplin-Filme (die mir leider immer zu gezwungen vorkamen mit ihrem Slapstick).
Ich begann Buch zu führen über alle Filme die ich kannte und machte daraus einen Ordner, in dem sich Filmkritiken ansammelten (den Ordner gibt es immer noch!). Die Bilder schnitt ich aus „TV-Spielfilm“ Zeitschriften aus. Ja, so viel zu meiner Leidenschaft, die mir quasi angeboren schien.
Wir schrieben das Jahr 2024, das Jahr in dem Orhan Müstak und ich unser Theaterstück „Das Letzte Geschenk“ auf die Bühne brachten. Zeitnah wurde meine Idee für YouTube immer konkreter, bis ich im Sommer ein Konzept verfasste. Es war eine Art Fernsehsendung, die mir da im Kopf herumspukte, nur eben auf YouTube, weil ich keinen Fernsehsender kannte, der das tatsächlich machen würde. Also trommelte ich eine Reihe an Leuten zusammen, die aus Schauspielern, Filmstudenten und einem Theater- und Filmregisseur aus Benin bestanden. Im Konzept war von vornherein klar, dass ich ihn DER GRAPHOMANIKER nennen würde, da ich ja bereits diesen Blog seit Juni 2023 betrieb. Außerdem würden thematisch Blog und YouTube-Kanal in dieselbe Richtung gehen.

Der Regisseur Daniel Zemicael mit Hemd und Krawatte und sein
Team (u.a. mit Schauspieler Orhan Müstak) bei den Dreharbeiten.
Cinephilia is not Dead
Ich war nie ein Freund von Social Media. Ich hatte mich vor Jahren längst von Facebook abgemeldet, empfand Internetphänomene wie Meme’s oder GIFs immer als Bildermüll und TikTok war mir von Anfang an eine Art unzumutbare Verblödungskampagne Made in China! Und dennoch sind diese Anbieter und Apps extrem erfolgreich, was selbst die angestaubtesten Politiker festgestellt haben und viel Geld in ihre Wahlkämpfe für Social Media investieren.
Man sieht also, man kommt an diesen Neuen Medien nicht vorbei. Jeder kann einen YouTube-Kanal eröffnen, jeder kann auf Instagram etwas posten und ja, leider kann jeder Eumel ein unspektakuläres Tanz-Video auf TikTok hochladen. Es gibt also keine Gatekeeper wie im Fernsehen oder Verlagen, die dort redaktionell entscheiden was gesendet wird und was nicht. Das ist schon mal gut. Aber natürlich auch schlecht. Da theoretisch jeder Mensch auf diesem Planeten seine Ergüsse mit der Welt teilen kann, ist es naturgemäß schwierig auf den ersten Blick zu erkennen, wer wirklich gut ist. Den Wunsch, aus einem Nobody zum Star zu werden, hegt doch jeder seit es Social Media gibt (früher waren es noch 15 Minuten Ruhm, nach denen man lechzte, heute sind es Kanäle und deren Abonnenten), doch der Kapitalismus schlägt überall gnadenlos zu, wenn er kommerziellen Erfolg riecht.
Und so gab es Medienagenturen, die sich speziell an Youtuber heranmachten und ihre Chanels quasi aufkauften, um mit und vor allem an ihnen zu verdienen. Machen wir uns also nichts vor: Social Media ist längst Mainstream und die Chancen, dort als absoluter Neuling Millionen-Abos einzuheimsen, sind sehr gering. Warum also, könnte man sich fragen, möchte ich Zeit, Energie und ja, auch einiges Geld in dieses aufwendige Projekt stecken, ohne schnelle Erfolgsaussichten?
Die Gründe sind einfach. Um sich als Filmemacher zu entwickeln und zu wachsen benötigt es nur ein Geheimrezept: Filme machen um Filme machen zu erlernen. Ich hatte es satt mich wegen eines einzigen Kurzfilms abzurackern (dann ewig lange dauert um ihn zu realisieren, zu promoten und somit an Erfolg zu kommen) statt einfach mehrere Filme in kurzer Zeit zu drehen. Deswegen ist „Der Graphomaniker“ eine Schule für mich, eine selbst gegründete Filmschule, wenn man so will.
Und so kommt das „Cinemaniker-Kollektiv“ ins Spiel. Eine Gruppe, die ich mit dem Vorhaben aus dem Boden gestampft habe, gemeinsam zu arbeiten, weil Filme machen immer Teamwork ist. Jeder Einzelne von uns liebt das Kino und ich denke, ich spreche für unser gesamtes Kollektiv, dass der paraphrasierte Punk-Spruch von Punk is not dead, den ich in „Cinephilia is not dead“ umgewandelt habe, für uns alle gilt.

Daniel Zemicael und sein Editor Yannik Bernion.
Wir sind die neuen Trojaner
Der zweite Grund meines Vorhabens besteht aus einer pathetischen, aber dafür umso leidenschaftlicheren Intension: Ich möchte die Leute für das Kino begeistern und für seine Geschichte, seine Protagonisten, Pioniere und deren Werken und Wirken. Dazu fange ich absichtlich auf Social Media an, weil, seien wir mal transparent: Ich bin tatsächlich auch im Gehege der Smartphone- und Social-Media-Süchtigen gefangen. Ich weiß, wie das ist, wenn man ständig auf Instagram scrollt. Ich weiß, dass ich trotz der Deaktivierung des Autoplays ständig auf YouTube abhänge und genau deswegen möchte ich wieder zurück in die gesündere Form des Konsumierens von Medien-Inhalten kommen.
Machen wir uns nichts vor, der Fernsehkonsum konnte man noch leichter einschränken. Heute hat man überall seinen Fernseher dabei, als Laptop, Tablet oder eben als Smartphone. Mein Ziel ist es (junge) Menschen dazu zu bewegen, sich einen Film für ein paar Stunden ablenkungsfrei anzuschauen und sich anschließend selbst Gedanken darüber zu machen, ohne Interpretationshilfe im Netz. Denn das müsste man heute wieder lernen, sich ohne das Internet Gedanken über etwas zu machen. Um der Phrase „Blut geleckt“ zu entsprechen, ist mein Ziel junge Zuschauer immer weiter weg vom Social-Media-Gedöns zu bekommen, um sie für Kino, Literatur und Popkultur fernab der heutigen Trends zu begeistern. Das-Cinemaniker-Kollektiv als moderne trojanische Kämpfer zu verstehen, die mit ihrer Version des trojanischen Pferdes für den Erhalt der Kunst und Kultur eintreten, hört sich vielleicht arg abgehoben an, aber mir gefällt dieser heroische Gedanke. Wir sind also die Kämpfer für Kunst und Kultur.
Social Media muss wieder kreativ und weniger auf Kommerzialität setzen!
Nennen wir es so, wie es ist: Social Media könnte was Schönes sein, ist aber Gift für die Sinne der Konsumenten. Konnte man anfangs dieser Erfindung noch etwas abgewinnen, denken wir an den Arabischen Frühling, den brutalen Mord an George Floyd, Bewegungen wie MeToo oder Fridays for Future ähneln diese Plattformen heute einer einzigen Kloake von Fake News und KI genierten Bildern und Aufnahmen.
Außerdem macht dieser ganze Mist süchtig (mehr erfahren Sie hier) und bindet vor allem junge Konsumenten ganz eng an die App-Produkte. Platz zum Lesen oder Filme schauen wird mit dem Konsum von Social Media immer seltener bzw. schwieriger, da unsere Konzentrationsfähigkeit dazu nicht mehr in der Lage ist. Dagegen wollte ich ankämpfen. Deswegen bedient sich „Der Graphomaniker“ nicht an der typischen Influencer-Ästhetik oder dem Meme-Gewitter. So viel zur oberflächlichen Gestaltung. Viel tiefgehender ist der Anspruch, vor allem junge Menschen für das Kino zu begeistern und sie immer weiter weg von Digitalen ins Analoge zu ziehen, sodass Jugendliche beide Welten kennen lernen.
Während sich das Fernsehen schon lange vom Bildungsanspruch verabschiedet hat, möchte ich so viele Menschen wie möglich für die Kultur begeistern. Aber nicht mit der Herangehensweise, dass man die Digitalität boykottieren sollte, was einer utopischen Aufgabe gleicht. Viel mehr liegt das Augenmerk darin, Menschen in die Kultur mit seiner so derart breitgefächerten Vielseitigkeit einzuführen. Denn mal ehrlich, Social Media ist nur auf einer oberflächlichen Ebene spannend, während das eigentlich aufregende in der Kulturgeschichte steckt. Das dem jungen Publikum nahezubringen ist eine Herausforderung, die man allerdings aufnehmen sollte, denn das Öffentlich-Rechtliche hat dies längst aufgegeben.
Info
Aktuell ist die 1. Folge nun online auf YouTube. Man kann es als Piloten betrachten, um auf den Kanal schon mal aufmerksam zu machen. Die übrigen Folgen werden momentan von mir geschrieben und anschließend gedreht, um sie dann regelmäßig auf YouTube hochzuladen. Das begünstigt den Algorithmus auf der Videoplattform. Denn nur wer regelmäßig produziert bzw. hochlädt, wird auf YouTube sichtbar. Deswegen dauert es jetzt einige Zeit bis weitere Folgen kommen werden, aber dafür werden sie, soweit alles fertig ist, in regelmäßigen Abständen zu sehen sein.
Der Teaser für die 1. Folge
Credits:
Der Graphomaniker - Folge 1
Created by Daniel Zemicael
Eine Produktion des Cinemaniker-Kollektivs
Drehbuch und Regie: Daniel Zemicael
Kamera: Samuel Gellert und Daniel Zemicael
Montage: Daniel Zemicael und Yannik Bernion
Ton: Marvin Reinke, Bruno Gehl, Emil Diegel
Schauspieler: Orhan Müstak und Daniel Zemicael
Sprecher: Falk Döhler
Mit Freundlicher Unterstützung von Oldenburgeins, Landesbibliothek Oldenburg, Janne Hilbers und Manfred Scholz
Gewidmet an ANDREAS GMELIN und BERNARD DUVAL
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